Abstract / Kurzbeschreibung: |
Hintergrund:
Dieser Artikel beschreibt die Entwicklung eines Rollatormoduls zur
sensorgestützten Haltungs- und Gangmustererkennungmit dem Ziel, eine alltagstaugliche Hilfe zur Sturzprävention zu entwickeln.
Kernbeitrag ist ein Vergleich zwischen der Beurteilung einzelner Gangparameter durch klinisches Personal und der im Rollatormodul
verwendeten maschinellen Klassifikationsmethode, der Mahalanobis-Distanz über Zeitreihen von Sensormesswerten.
Methodik:
Das hier beschriebene Rollatormodul erweitert einen handelsüblichen Rollator um zwei Tiefenbildkameras, die sowohl den Oberkörper als auch Beine und Becken des Benutzers beobachten. Aus dem Strom von Tiefenbildern werden Distanzmessungen zu 8 relevanten Punkten auf der Körperoberfläche (Schultern, Beckenkämme, Oberschenkel, Schienbeine) zu Zeitreihen zusammengefasst,
die einzelne Schrittzyklen beschreiben. Zur automatischen Klassifikation der Schrittzyklen im Hinblick auf 14 sicherheitsrelevante
Gangparameter (Schrittbreite, -höhe, -länge, -symmetrie, -variabilität; Flexion von Oberkörper, Knie (l/r) und Hüfte (l/r); Position, Distanz
zum Rollator; 2-, 5-wertiges Gangmuster. [Während das 2-wertige Gangmuster einen Schrittzyklus grob in pathologisch und
physiologisch unterteilt, differenziert das 5-wertige Gangmuster zwischen antalgischen, ataktischen, paretischen, protektiven und
physiologischen Schrittzyklen.]), wurden jeweils einzelne Klassifikationsalgorithmen mit Techniken des maschinellen Lernens
trainiert und dazu mathematisch die Mahalanobis-Distanz verwendet (Distanz einzelner Schrittzyklen zu Klassenmitteln und
zugehörigen Kovarianzmatrizen). Sowohl Trainings- als auch Testdatensätze wurden dazu im klinischen Kontextmit 29 Probanden
gewonnen. Dabei diente die durch klinische Experten vorgenommene Beurteilung des Gangbildes einer am Rollator gehenden Person sowohl zur Annotierung sensorischer
Schrittzyklusbeschreibungen der Trainingsals
auch der verwendeten Testdatensätze. Zur
Bewertung der Qualität der automatischen
Klassifikation des Rollatormoduls wurde
ein abschließender Vergleich zwischen
menschlicher und maschineller Beurteilung
über alle Gangparameter vorgenommen.
Ergebnisse:
Die für den Vergleich mit dem maschinellen Lernverfahren herangezogene Gangbeurteilung durch medizinisches Personal
zeigte über das gesamte Patientenkollektiv eine relativ homogene Klassenverteilung in den einzelnen Gangparametern. So zeigten
beispielsweise 57% eine erhöhte, und
43% eine normale Distanz zum Rollator.
Zentriert zum Rollator positionierten sich
51%der Probanden, während 41%eine links
abweichende und 8% eine rechts abweichende
Position einnahmen. Zwölf weitere
Gangparameterwurden in 2 bis 5 Klassen
unterteilt und beurteilt. Einzelne Schrittzyklen
eines jeden Probanden wurden mithilfe
der trainierten Klassifikationsalgorithmen
beurteilt. Die bestenmaschinellen Klassifikationsraten
über alle Probanden ergaben
sich für die Parameter Distanz zum Rollator
(99,4%) und das 2-wertige Gangmuster
(99,2%). Die Schrittvariabilität (94,6%) und
die Position zum Rollator (94,2%) zeigten
die schlechtesten Klassifikationsraten. Ãœber
alle Gangparameter und Probanden wurden
96,9% aller Schrittzyklusbeschreibungen
korrekt klassifiziert.
Diskussion/Ausblick:
Mit einer durchschnittlichen
Klassifikationsrate von 96,9%eignet sich
das beschriebene Gangklassifikationssystem
sowohl für den Einsatz in einem patientenorientierten
Trainings-/Korrektursystem, das
auf Fehlhaltungen im Alltag hinweist, als
auch für ein potenzielles Diagnosesystem,
das die Ganganalyse im klinischen Umfeld
objektiviert. Vor dem Erreichen dieser Ziele
konzentrieren sich aktuelle Arbeiten auf
den Wechsel von tiefenbildkamerabasierter
Distanzmessung zu kleinformatigen Distanzsensoren
(1D Lidar) sowie das Design und
die Implementierung einer geeigneten Rollatornutzerschnittstelle.
Für den eigentlichen
Klassifikationsalgorithmus wird zudem an
einemVergleich der Ergebnisse mit denen von
gefalteten neuronalen Netzwerken gearbeitet. |